2.6 | Naturschutzvereine

Eine wichtige Rolle im ehrenamtlichen Naturschutz spielen die Natur- und Umweltschutzvereine mit ihren über 700.000 Mitgliedern in Baden-Württemberg. Neben dem direkten Engagement für den Natur- und Umweltschutz und der Landschaftspflege leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag für die gesellschaftliche Vermittlung und Akzeptanz des Natur- und Umweltschutzes und wirken als Antrieb einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung. Auch die Mitglieder des ehrenamtlichen Naturschutzdienstes werden sich in der Regel zu mindestens einem der regional und überregional tätigen Vereine (siehe Anhang IV) zugehörig fühlen.
Hilfreich für den Naturschutzdienst sind die großen fachlichen und gebietsbezogenen Kenntnisse der Vereine, zahlreiche unterstützende Veröffentlichungen, Seminare und Veranstaltungen sowie die Unterstützung durch Gleichgesinnte und der gegenseitige Austausch.

2.6.1 | Anerkannte Umwelt- und
Naturschutzvereinigungen

Wenn ein gemeinnütziger Verein (das Gesetz spricht von Vereinigung) bestimmten Kriterien entspricht, etwa der ideellen und nicht nur vorübergehenden Förderung vorwiegend der Ziele des Umweltschutzes, kann er nach § 3 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) als Umweltschutzvereinigung und ggf. zusätzlich als Naturschutzvereinigung anerkannt werden. Jede anerkannte Naturschutzvereinigung ist damit zugleich eine anerkannte Umweltvereinigung (aber nicht umgekehrt). Mit der Anerkennung als Umweltvereinigung ist das Recht verbunden, in bestimmten Fällen Rechtsbehelfe (Widersprüche, Klagen) einzulegen (siehe Kap. 2.6.3).
Für eine Umweltvereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet des Landes Baden-Württemberg hinausgeht, wird die Anerkennung durch das Umweltministerium (UM) erteilt.
Für die Anerkennung als Naturschutzvereinigung wird zusätzlich geprüft, ob die Vereinigung im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert und, in diesem Fall, ob sie nach ihrer Satzung landesweit tätig ist. Als oberste Naturschutzbehörde erteilt das UM auch die Anerkennung als Naturschutzvereinigung. Sind die Voraussetzungen erfüllt bzw. ist die Vereinigung bereits nach dem § 67 NatSchG (alt) als Naturschutzverband anerkannt, eröffnen sich ihr die Mitwirkungsrechte nach § 63 BNatSchG und § 49 NatSchG sowie die Befugnis zu Rechtsbehelfen nach § 64 BNatSchG (siehe Kap. 2.6.3).

Anerkannte Naturschutzvereinigungen

In Baden-Württemberg gibt es 11 anerkannte Naturschutzvereinigungen mit landesweiter Tätigkeit (Stand 01.01.2024)

  • den Dachverband Landesnaturschutzverband BW e. V. (LNV)
  • Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e. V. (AGF)
  • Arbeitsgemeinschaft der NaturFreunde in Baden-Württemberg e.V.
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland,Landesverband (LV) BW e. V. (BUND)
  • Deutscher Alpenverein, LV BW e. V. (DAV)
  • Landesfischereiverband Baden-Württemberg e. V. (LFVBW)
  • Landesjagdverband Baden-Württemberg e. V. (LJV)
  • Naturschutzbund Deutschland, LV BW e. V. (NABU)
  • Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, LV BW e. V. (SDW)
  • Schwäbischer Albverein e. V. (SAV)
  • Schwarzwaldverein e. V. (SWV)

Weitere Informationen

Anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen

2.6.2 | Der Landesnaturschutzverband
Baden-Württemberg e. V. (LNV)

Der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e. V. (LNV) ist der vom Land Baden-Württemberg anerkannte Dachverband der Naturschutzverbände (§ 51 NatSchG). Mit seinen 37 Mitgliedsverbänden (vgl. Kapitel LNV) repräsentiert er über 540.000 Personen. Der LNV wurde im Jahr 1971 aus der Erkenntnis heraus gegründet, dass die Naturschutzvereine mehr Gehör finden, wenn sie ihre Kräfte bündeln und mit einer Stimme sprechen.

Durch seine Anerkennung als Naturschutzvereinigung hat der LNV gesetzlich garantierte Anhörungsrechte. Er ist in Städten und Landkreisen durch rund 40 LNV-Arbeitskreise vertreten. In diesen ehrenamtlichen Gremien arbeiten Naturschützende verschiedener Vereine zusammen und stimmen sich z. B. für eine gemeinsame Stellungnahme zu Planungsverfahren ab. So kann der Naturschutz auch vor Ort das wertvolle ehrenamtliche Engagement bündeln. Stand 2024 gibt es 36 Arbeitskreise im Land.

Weitere Informationen

LNV-Arbeitskreise

2.6.3 | Mitwirkungsrechte anerkannter Umwelt-
und Naturschutzvereinigungen

Durch die Anerkennung nach § 3 UmwRG können Vereine Rechtsbehelfe (Klagen, Widersprüche) bei bestimmten Entscheidungen nach dem Umweltrecht einlegen. Darunter fallen z. B. Umweltverträglichkeitsprüfungen oder bestimmte Entscheidungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder dem Umweltschadensgesetz (§§ 1, 2 und 4 UmwRG).
Die zuständigen Behörden sollen anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen, sofern nach ihrer Satzung berührt, über das betreffende Vorhaben informieren und auf die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben oder Einwendungen zu erheben, hinweisen (Umweltverwaltungsgesetz – UVwG § 6 Abs. 2).

2.6.3.1 | Rechte nach dem Bundesnaturschutzgesetz

Für vom Land anerkannte Naturschutzvereinigungen bestehen nach § 63 Abs. 2 BNatSchG weitere Mitwirkungsrechte. Sie müssen zu folgenden Verfahren gehört werden:

  • bei der untergesetzlichen Rechtsetzung der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden (z. B. beiNSG-, Biosphärengebiets-, LSG-, Naturdenkmal-, Naturpark- Verordnungen, Kormoran- und Rabenvogel-Verordnung) einschließlich ihrer Änderung oder Aufhebung,
  • vor Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von Natura 2000-Gebieten, von Naturschutzgebieten, Nationalparken, Biosphärengebieten auch wenn diese durch eine andere Entscheidung, z. B. durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz, eingeschlossen oder durch diese ersetzt werden,
  • bei der Landschaftsplanung (etwa Landschaftsrahmenprogramm des Landes, Landesentwicklungsplan, Landschaftsrahmenpläne, Landschaftspläne und Grünordnungspläne),
  • bei allen für den Habitatschutz relevanten Plänen (Pläne, die ein Natura 2000-Gebiet betreffen). Dies können forstliche Rahmenpläne, Luftreinhalte- oder Lärmminderungspläne, kommunale Bauleitpläne usw. sein, sofern sie sich im Einzelfall den rechtlichen Anforderungen zum Habitatschutz zu fügen haben,
  • bei der Vorbereitung von Programmen staatlicher und sonstiger öffentlicher Stellen zur Wiederansiedlung von Tieren und Pflanzen verdrängter wildlebender Arten in der freien Natur,
  • in Planfeststellungsverfahren, wenn es sich um Vorhaben handelt, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind (Straßenbau, Gewässerausbau, Wege- und Gewässerplan bei Flurbereinigungsverfahren u. a.),
  • bei Plangenehmigungen anstelle einer Planfeststellung, wenn eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen und das Vorhaben mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden ist.
2.6.3.2 | Rechte nach dem Landesnaturschutzgesetz

Neben den genannten bundesrechtlichen Mitwirkungsrechten hat Baden-Württemberg in § 49 Abs. 1 NatSchG weitere Beteiligungsrechte für anerkannte Naturschutzvereinigungen festgelegt:

  • bei Befreiungen von Verordnungen zu Landschaftsschutzgebieten und zu flächenhaften Naturdenkmalen, wenn das Vorhaben zu Eingriffen von besonderer Tragweite oder zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung überörtlicher Interessen der Erholung suchenden Bevölkerung führen kann,
  • bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung und der Erteilung von Ausnahmen für ein Projekt in einem Natura 2000-Gebiet,
  • bei Waldumwandlungen in Fällen von mehr als fünf Hektar Fläche,
  • bei Entscheidungen nach §§ 11 und 15 WHG bezüglich der Entnahme und Einleitung von Wasser und Abwasser,
  • bei Eingriffen durch Plangenehmigungen anstelle von Planfeststellungen, auch wenn keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist,
  • bei Eingriffen in unzerschnittene Landschaftsräume nach § 20 NatSchG,
  • vor Befreiungen von den Verboten zum Schutz gesetzlich geschützter Biotope (§ 30 Abs. 2 BNatSchG und § 33 NatSchG),
  • bei der Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf gentechnisch veränderte Organismen (nach § 35 Abs. 4 NatSchG und bei Ausnahmen vom Verbot des § 35 Abs. 2 S. 1 NatSchG nach § 35 Abs. 2 S. 2 NatSchG).

Das NatSchG sieht vor, dass die Behörden in Beteiligungsfällen nach § 63 BNatSchG und § 49 Abs. 1 NatSchG den anerkannten Naturschutzvereinigungen die Planunterlagen für das jeweilige Planvorhaben zusenden. Wenn die Naturschutzvereinigung dazu eine Stellungnahme abgibt, erhält sie später auch die Entscheidung der Behörde oder die Rechtsverordnung (§ 49 Abs. 2 NatSchG).
Im Naturschutzgesetz ist die Möglichkeit verankert, vom Anhörungsrecht der anerkannten Naturschutzvereinigungen abzusehen, wenn Auswirkungen auf Natur und Landschaft nicht oder nur in geringfügigem Umfang zu erwarten sind (§ 49 Abs. 3 NatSchG), meist bei geringfügigen Befreiungen von Schutzgebieten. Das Umweltministerium hat einen Katalog von Regelbeispielen als Vollzugshinweise erstellt. Die Behörden sind ausdrücklich nicht von der Pflicht zur Einzelfallprüfung entbunden.
Weitere Anhörungs- und Beteiligungsrechte ergeben sich aus
Fachgesetzen oder Beteiligungsgeboten in Baden-Württemberg,
z. B. bei wasserrechtlichen und abfallrechtlichen Erlaubnis-, Be-
willigungs- und Genehmigungsverfahren.

2.6.3.3 | Klagen und Widersprüche

Anerkannte Naturschutzvereinigungen können nicht nur gegen die bereits erwähnten umweltrechtlichen Entscheidungen (siehe Kap. 2.6.3) Rechtsbehelfe (Klagen und Widersprüche) einlegen. Sie können auch gegen naturschutzrechtliche Entscheidungen klagen.

Das BNatSchG beschreibt in § 64 Abs. 1 die Fälle, in denen eine Klage möglich ist. Das NatSchG (§ 50 NatSchG) erweitert die Bundesliste um die Beteiligungsfälle nach § 49 Abs. 1 NatSchG (siehe Kap. 2.6.3.2).

Die anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen verfügen inzwischen über ansehnliche Beteiligungs- und Klagerechte. Demgegenüber sind die oft hohen Kosten einer Klage durch die Verbände/Vereinigungen nur schwer zu schultern, weshalb Verbandsklagen eher die Ausnahme sind.

2.6.4 | Betreuung geschützter Gebiete

Die Naturschutzbehörden können Naturschutzvereinigungen auf Antrag widerruflich die Betreuung geschützter Gebiete oder geschützter Arten (z. B. Wanderfalke) übertragen (§ 3 Abs. 4 BNatSchG und § 63 Abs.1 NatSchG). Hoheitliche Befugnisse werden nicht übertragen.