Kerngedanke der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ist, dass der Verursacher erheblicher Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft auch für deren Vermeidung, Verminderung und Kompensation verantwortlich ist. Die Eingriffsregelung konkretisiert damit das allgemeine umweltrechtliche Verursacherprinzip.
Eingriffe in Natur und Landschaft sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit dem belebten Boden in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, wenn sie den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können (§ 14 BNatSchG).
Insbesondere bei folgenden Handlungen kann es sich um Eingriffe handeln (vgl. § 14 Abs. 1 NatSchG):
- Im Außenbereich die Errichtung oder wesentliche Änderung von baulichen Anlagen, von Straßen, Wegen und sonstigen Verkehrsflächen, von Freileitungen einschließlich deren Masten und Unterstützungen.
- Errichtung und Betrieb von Skipisten mit dazugehörenden Einrichtungen, einschließlich deren wesentliche Änderung oder Erweiterung.
- Beseitigung, Anlage, Ausbau oder wesentliche Änderung von Gewässern.
- Umwandlung von Ödland, Moorflächen oder naturnahen Flächen zur intensiven landwirtschaftlichen Nutzung.
- Beseitigung oder wesentliche Änderung von landschaftsprägenden Hecken, Baumreihen, Alleen, Feldrainen und Feldgehölzen.
Der Verursacher eines Eingriffs ist nach § 15 Abs. 1 und 2 BNatSchG verpflichtet,
- ermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Wenn Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist das zu begründen,
- unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder
- zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ersatzmaßnahmen müssen im selben Naturraum wie der Eingriff durchgeführt werden. Davon abweichend kann der Ersatz auch auf dem Gebiet der von dem Eingriff betroffenen Gemeinde oder im nächstgelegenen benachbarten Naturraum Dritter Ordnung erfolgen (§ 15 Abs. 1 NatSchG). Eine Zusammenstellung der Naturräume Dritter Ordnung ist in der Anlage 1 zum NatSchG zu finden.
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen werden zusammenfassend als Kompensationsmaßnahmen bezeichnet. Kompensationsmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten (z. B. ist bei der Anlage von Obstbaumwiesen deren regelmäßiger Schnitt zu gewährleisten) und rechtlich zu sichern. Die zuständige Behörde legt den Unterhaltungszeitraum im jeweiligen Zulassungsbescheid fest. Verantwortlich für die Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Kompensationsmaßnahmen ist der Verursacher des Eingriffs. Die Unterhaltungspflicht besteht in BW auch für Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen, wie etwa Amphibienleitrichtungen oder Querungshilfen, wenn sie nicht nur vorübergehend erforderlich sind (§ 15 Abs. 4 BNatSchG, § 15 Abs. 3 NatSchG).
Bei nicht ausgleichbaren oder in sonstiger Weise kompensierbaren Eingriffen muss der Verursacher eine Ersatzzahlung an die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg leisten. Die Ersatzzahlung ist zweckgebunden für Naturschutz- und Landschaftspflegemaßnahmen möglichst im betroffenen oder benachbarten Naturraum (s. o.) zu verwenden (§ 15 Abs. 6 BNatSchG, § 15 Abs. 4 NatSchG).
Bei Eingriffen im Rahmen von Bauleitplänen (Flächennutzungs-, Bebauungspläne) oder von Satzungen zu Außenbereichsflächen, die unmittelbar an den Innenbereich angrenzen (§ 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB), gelten die Vorschriften des Baugesetzbuches (§ 1a BauGB) zur Vermeidung und zum Ausgleich.
Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen (Ökokonto)
Das sogenannte Ökokonto dient dazu, Kompensationsmaßnahmen im Vorfeld eines Eingriffs flexibler und effizienter zu gestalten (§ 16 BNatSchG, § 16 NatSchG). Es enthält Maßnahmen, die z. B. von Gemeinden „auf Vorrat“ durchgeführt wurden und noch keinem Eingriff verbindlich zugeordnet sind. Sie werden über ein Punktesystem bewertet, das nach der Ökokonto-Verordnung ermittelt wird. Diese Maßnahmen sind handelbar, d. h. Eingriffsverursacher können Ökokontopunkte erwerben und damit ihren Eingriff kompensieren. Eine Plattform für den Handel mit Ökopunkten wurde von der Flächenagentur Baden-Württemberg GmbH entwickelt.
Näheres (z. B. zu den Voraussetzungen der Anerkennung und zur Anrechnung von Ökokonto-Maßnahmen) regelt die Ökokontoverordnung (ÖKVO).
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Kompensationsverzeichnis
Um die naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen über-
sichtlich und transparent darzustellen, sind die unteren Naturschutzbehörden seit 01.04.2011 verpflichtet, ein Kompensationsverzeichnis für ihr Landkreis- oder Stadtgebiet zu führen.
Es setzt sich aus zwei Teilen zusammen:
- der Eingriffskompensation; hier sind naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen dargestellt,
- dem Ökokonto; hier werden vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfasst, die gehandelt werden können (s. o.).
Seit dem 31.07.2020 sind die Gemeinden verpflichtet, auch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Zusammenhang mit z. B. § 1a BauGB an die unteren Naturschutzbehörden für das Kompensationsverzeichnis zu vermitteln (§ 18 NatSchG).
Näheres regelt die Kompensationsverzeichnis-Verordnung (KompVzVO).
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6.1.1 | Windkraft- und Solaranlagen
Mit der am 17.03.2022 gestarteten Regionalen Planungsoffensive des Landes sollen bis spätestens 2025 mindestens 2% der Landesfläche exklusiv für Windenergie- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen gesichert werden. Nach Vorgaben des Bundes 1,8 % davon alleine für die Windenergie.
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Windkraftanlagen
Für die Planung und den Bau von Windkraftanlagen gibt es eine Vielzahl von Vorschriften zum Schutz von gefährdeten (z. B. Auerhuhn) oder besonders relevanten Arten (z. B. Rotmilan). Auf der anderen Seite wurden rechtliche Vorgaben zur Beschleunigung von Planungsprozessen von Windkraftanlagen (z. B. EU-Notfall VO 2022/2577, vorerst befristet bis Ende 2024) erlassen. Sie ermöglichen es, unter bestimmten Voraussetzungen Planungen von der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und von den Bewertungen des Artenschutzrechtes aus der FFH- und Vogelschutzrichtlinie auszunehmen.
Das am 08.12.2022 novellierte BNatSchG enthält verschiedene Regelungen, die die Genehmigung von Windkraftanlagen bzw. deren Repowering beschleunigen sollen (§§ 45 b und c BNatSchG). Anlage 1 zu den §§ 45 b und c BNatSchG definiert 15 kollisionsgefährdete Vogelarten, die im Planungsverfahren berücksichtigt werden müssen (See-, Fisch-, Schrei- und Steinadler, Wiesen-, Korn-, und Rohrweihe, Rot- und Schwarzmilan, Wanderfalke, Baumfalke, Wespenbussard, Weißstorch, Sumpfohreule und Uhu) und legt Prüfungsbereiche und Schutzmaßnahmen für diese Arten fest.
Das Internetportal „Windkraft“ der Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg informiert über die rechtlichen Anforderungen, die Windkraftprojekte in Baden-Württemberg erfüllen müssen (Stichworte „Artenschutz“ und „Natur- und Landschaftsschutz“).
Anforderung an WindkraftanlagenWeitere Informationen enthält die Website des Umweltministeriums BW. Dort finden sich Informationen zu Artenschutz, Gebietsschutz, Auerhuhnschutz, Planungshilfe für naturverträglichen Ausbau der Windkraft und Landschaftsbild.
UM BW Windenergie und Naturschutz
Photovoltaik
Photovoltaikanlagen können auf Gebäuden oder auf Flächen im Offenland errichtet werden. Die Überspannung von versiegelten Flächen wie Parkplätzen, die Nutzung von Acker- oder Sonder-kulturflächen durch Agri-PV-Anlagen oder die Errichtung von Solaranlagen auf Stillgewässern (Floating PV-Anlagen) bieten weitere Möglichkeiten.
Weitergehende Informationen finden sich auf der Website des Umweltministeriums BW – Stichwort Photovoltaik.
UM BW PhotovoltaikHinweise zur naturverträglichen Gestaltung von Freiflächenphotovoltaikanlagen enthält der Handlungsleitfaden Freiflächensolaranlagen des UM BW.
Handlungsleitfaden UMEinen umfassenden Überblick über Freiflächenphotovoltaikanlagen bietet die Publikation des Umweltbundesamtes „Umweltverträgliche Standortsteuerung von Solar-Freiflächenanlagen“ (2022).
UBA