5.3.1 | Allgemeiner Artenschutz
Wildlebende Tiere und Pflanzen genießen einen allgemeinen „Grundschutz“. Wildlebende Tiere dürfen nicht mutwillig, also aus Spaß oder zum Selbstzweck, beunruhigt oder ohne vernünftigen Grund gefangen, verletzt oder getötet werden. Wildlebende Pflanzen dürfen nicht ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort entnommen, genutzt oder in ihren Beständen niedergeschlagen oder sonst verwüstet werden. Auch die Lebensstätten wildlebender Tiere und Pflanzen dürfen nicht ohne vernünftigen Grund beeinträchtigt oder zerstört werden (Allgemeiner Artenschutz, § 39 Abs. 1 BNatSchG). Als vernünftiger Grund gilt z. B. die land- oder forstwirtschaftliche Bewirtschaftung eines Grundstücks.
5.3.2 | Besonderer Artenschutz
Neben dem allgemeinen Schutz für alle wildlebenden Tiere und Pflanzen sind bestimmte Gruppen wesentlich stärker geschützt (Besonderer Artenschutz, §§ 44 ff. BNatSchG).
Hierbei werden
- „besonders“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 13 BNatSchG) und
- „streng“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG) geschützte Arten
unterschieden. „Streng“ geschützte Arten sind zugleich „besonders“ geschützt, sie bilden eine Untergruppe der „besonders“ geschützten Arten.
Die „besonders“ und/oder „streng“ geschützten Arten (Anhang I) können gleichzeitig dem Schutz der FFH-Richtlinie oder der EU-Vogelschutzrichtlinie (alle europäischen Vogelarten) unterliegen. Diese Arten haben einen Sonderstatus und werden z. B. bei Eingriffsplanungen in besonderer Weise berücksichtigt. Soweit diese europarechtlich geschützten Arten von Eingriffen (siehe Kap. 6.1) betroffen sein können, ist eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) durchzuführen (§ 44 Abs. 4 – 6 und § 45 Abs. 7 BNatSchG).
Für Arten, die dem „Besonderen Artenschutz“ unterliegen, gelten bestimmte Schutzbestimmungen, die die Regelungen des „Allgemeinen Artenschutzes“ (Grundschutz) übersteigen. Die wesentlichen Vorschriften enthalten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote.
Zugriffsverbote (§ 44 Abs. 1 BNatSchG):
Es ist verboten,
- wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.
(dieses Verbot des direkten Zugriffs auf einzelne Exemplare besonders geschützter Tiere schließt also auch deren Entwicklungsformen wie Eier, Larven, Puppen usw. mit ein, um die Arterhaltung zu sichern) - wildlebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
- Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wildlebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
- wildlebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören.
Besitzverbote (§ 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG):
Es ist verboten,
- Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten.
Vermarktungsverbote (§ 44 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG):
Es ist verboten,
- Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten (…)
a) zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b) zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden.
Für Arten, die direkt über die EG-ArtSchVO geschützt sind, gelten für die Vermarktung die strengeren Regelungen dieser VO.
5.3.3 | Einzelne Ausnahmeregelungen des Besonderen Artenschutzes
Das BNatSchG enthält verschiedene Ausnahmen von den Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverboten:
Ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bewirtschaftung
So verstößt die ordnungsgemäße land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bewirtschaftung in der Regel nicht gegen die Verbote. Sobald allerdings europäische Vogelarten oder Arten des Anhangs IV der FFH-Richtlinie wie etwa die Mauer- und Zauneidechse, der Alpenbock oder der Juchtenkäfer in Erscheinung treten, gilt diese Privilegierung nur eingeschränkt (§ 44 Abs. 4 – 6 BNatSchG).
Entnahme toter Tiere und Pflanzen
Tote Tiere (wenn sie nicht dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen) und Pflanzen dürfen der Natur entnommen und an eine von der unteren Naturschutzbehörde bestimmten Stelle abgegeben werden.
Es ist auch zulässig, sie für Forschungs- und Lehrzwecke zu verwenden und zu präparieren, soweit sie nicht zu den streng geschützten Arten gehören (§ 45 Abs. 4 BNatSchG).
Aufnahme verletzter, hilfloser und kranker Tiere
Verletzte, hilflose oder kranke Tiere dürfen von jedermann (vorbehaltlich jagdlicher Vorschriften) aufgenommen und gesund gepflegt werden. Sie sind sofort in die Freiheit zu entlassen, wenn sie sich dort selbstständig erhalten können. Im Übrigen sind sie bei der von der unteren Naturschutzbehörde bestimmten Stelle abzugeben. Auch Tiere streng geschützter Arten können zur Gesundpflege aufgenommen werden. Hierüber ist aber das zuständige Regierungspräsidium zu informieren. Dieses kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen (§ 45 Abs. 5 BNatSchG).
Weitere Ausnahmen
Spezifische Regelungen zur Erleichterung der Errichtung und dem Betrieb von Windenergieanlagen an Land, sowie zum Repowering, enthalten die §§ 45 b und 45 c BNatSchG. Sie ermöglichen zur Erreichung der Klimaschutzziele weitere Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) fördert mit dem Nationalen Artenhilfsprogramm Vorhaben, die dem dauerhaften Schutz insbesondere der durch den Ausbau der erneuerbaren Energien betroffenen Arten einschließlich deren Lebensstätten (§ 45 d BNatSchG) dienen sollen (vgl. 6.1.1).
Regelungen zum Umgang mit dem Wolf (Canis lupus) und zulässige Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG
enthält § 45 a BNatSchG.
Darüber hinaus können z. B. für wissenschaftliche Bestandserhebungen im Freiland Ausnahmen von den Verboten des § 44 BNatSchG zugelassen werden. Je nach Schutzstatus der Art, Art des Schutz-
gebiets oder Ausnahmegrund sind die unteren Naturschutzbehörden
(Landratsamt) oder die höheren Naturschutzbehörden (Regierungs-
präsidium) zuständig (§ 45 Abs. 7 BNatSchG).